50 Projekte von Architektinnen für die niederländische Stadt an der Maas: Das neue Buch „Buildings by Women. Rotterdam” von nai010 publishers macht sichtbar, welchen Beitrag Frauen für Rotterdam geleistet haben.
Text: Anneke Bokern
Clubhouse Boompjes, Dojanne Vermeulen, photo: Loes van Duijvendijk
Dass Rotterdam ein lohnendes Ziel für Architekturspaziergänge ist, dürfte sich herumgesprochen haben. Dass aber unter all den bemerkenswerten Gebäuden in der Stadt auch viele sind, die von Frauen entworfen oder wesentlich mitgestaltet wurden, ist weniger geläufig. Denn wie vielerorts geraten auch in den Niederlanden die Namen von Architektinnen häufig hinter denen ihrer männlichen Büropartner in den Hintergrund.
Neue Rollenmodelle
Der Band „Buildings by Women“ (der auf Niederländisch den viel klangvolleren Titel „Gebouwen door Vrouwen“ trägt) will das ändern. Er ist Teil einer Initiative der jungen Architektin und Kuratorin Sofie van Brunschot, deren Ziel es ist, den Einfluss von Architektinnen auf die gebaute Umwelt sichtbarer zu machen und so neue Rollenmodelle zu schaffen. Neben Architekturführungen, die etwa während des Rotterdamer Architekturmonats stattfinden, und einer Online-Datenbank ist dieses Buch ein weiterer Baustein des Projekts.
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Parkhuis Santos, Karin Renner, Karin Wolf, photo: Loes van Duijvendijk
50 Projekte
Der farbenfrohe Band im A5-Format stellt auf 288 Seiten insgesamt 50 Bauten von Architektinnen vor. Wer allerdings erwartet, dass alle Projekte aus Büros stammen, die ausschließlich von Frauen geleitet werden, wird enttäuscht. Viele der vorgestellten Projekte stammen aus Büros wie OMA oder MVRDV, in denen Frauen in leitenden Positionen tätig sind. Während jedoch Namen wie Rem Koolhaas oder Winy Maas weithin bekannt sind, bleiben Ellen van Loon (ehemals OMA), Fokke Moerel oder Natalie de Vries (MVRDV) meist im Schatten ihrer männlichen Partner. Hier schafft „Buildings by Women“ Abhilfe – wobei man sich fragen kann, ob der Fokus auf einzelne Architektinnen als Urheberinnen der Gebäude nicht überholt ist. Waren wir uns nicht inzwischen einig, dass Architektur eine Teamleistung des ganzen Büros ist? Paradoxerweise bekommt das Buch durch diesen Personenkult einen etwas anachronistischen Beigeschmack.
Cafe Marseille, Alexandra Sonnemans, photo: Loes van Duijvendijk
Pionierinnen in einer Männerwelt
Und doch lohnt sich die Lektüre. In der Einleitung erfährt man zum Beispiel, dass die erste Architektin der Niederlande, Gerarda Wolffensperger, 1917 ihr Diplom an der TU Delft erhielt. Wie van Brunschot feststellt, hängen über hundert Jahre später in der Ehrengalerie der Universität noch immer nur 10 Frauen- zwischen 89 Männerporträts und sind nur 24% der in den Niederlanden registrierten ArchitektInnen weiblich.
RVS Flat, Wilhelmina Jansen, photo: Loes van Duijvendijk
Rotterdamer Architekturgeschichte
Auf die Einleitung folgen 50 Projektporträts, die die Rotterdamer Architekturgeschichte aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten – von etablierten Namen bis zu jüngeren Talenten, von Interieurs über Infrastrukturbauten bis zu städtebaulichen Projekten. Jedes Bauwerk wird auf Niederländisch und Englisch beschrieben, ergänzt durch mehrere Fotografien. Ein Stadtplan in den Umschlagklappen führt alle Orte auf.
Zonnetrap, Luzia Hartsuyker-Curjel, photo: Loes van Duijvendijk
Wohnungsbau und futuristische Städte
Zwischen die Projekttexte mischen sich Porträts prominenter Architektinnen, darunter Francine Houben (Mecanoo) und Marja Haring (Gemeinde Rotterdam), aber auch die Bauhaus-Schülerin Lotte Stam-Beese, die 1934 den Niederländer Mart Stam heiratete und in der Nachkriegszeit (lange nach ihrer Scheidung) komplette Stadterweiterungen in Rotterdam entwarf. Für viele dürfte Luzia Hartsuyker-Curjel eine weitere Entdeckung sein. Die Karlsruherin emigrierte in den 1930er Jahren mit ihren Eltern in die Schweiz, wo sie an der ETH Zürich den Niederländer Enrico Hartsuyker kennenlernte. Gemeinsam zogen sie in die Niederlande, wo Luzia bereits in den 1980er-Jahren innovative, „frauenfreundliche“ Wohnungen entwarf. Wichtigstes Werk der Hartsuykers in Rotterdam war das Seniorenwohnheim De Zonnetrap – eine kleinere Version ihrer Utopie für eine futuristisch neue Stadt in der Nordsee namens Biopolis.
The View, Joke Vos, photo: Loes van Duijvendijk
Perspektivwechsel
Den Abschluss bildet ein Essay von Catja Edens, der eine internationale Perspektive hinzufügt und untersucht, weshalb Architektinnen von Eileen Gray bis Alison Smithson in der Regel entweder mit einem männlichen Partner zusammenarbeiten oder den Umweg über das Produkt- oder Interieurdesign gehen mussten, um in der Architekturwelt zum Zug zu kommen. Insgesamt ist das Büchlein ein schöner Begleiter, wenn man Rotterdam einmal aus einem anderen Blickwinkel erleben will. Es macht sichtbar, welchen Beitrag Architektinnen zur Stadt geleistet haben – und lädt dazu ein, bekannte wie unbekannte Orte mit anderen Augen zu sehen.
Sofie van Brunschot, Catja Edens, Laurence Ostyn, Erica Smeets-Klokgieters, “Buildings by Women: R’dam”, 288 pages, design: Saskia van der Meer, photographs: Loes van Duijvendijk, nai010 publishers, Rotterdam 2025, ISBN 978-94-6208-933-4