Der schwedische Fotograf Johan Dehlin hat fünf weniger bekannte Wohnhäuser von Frank Gehry besucht, allesamt in den 70er- und frühen 80er-Jahren erbaut. Seine Aufnahmen sind jetzt als Buch im Verlag Walther König erschienen.
Text: Wolfgang Bachmann
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Norton House, photo: Johan Dehlin
Für Liebhaber
Als erstes fragt man sich: Warum kommt das Buch gerade jetzt heraus, wo Dekonstruktivismus und Postmoderne längst nicht mehr zu den Partygesprächen unter den architectural pundits gehören? Man könnte erwidern, auch über Mies, Schinkel und Palladio sind Bücher erschienen, da waren diese Architekten schon lange tot. Außerdem schadet es nichts, wenn sich unerwartet eine Gelegenheit bietet, an ein Kapitel Kulturgeschichte erinnert zu werden, zumal sich diese Publikation mit bibliophiler Eigenwilligkeit kapriziert. Denn Baupraktiker werden damit wenig anfangen wollen. Es ist ein Buch für Architekturliebhaber.
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Benson House, photo: Johan Dehlin
Hübsche Zeichnungen
Nach zwei einleitenden Texten werden die fünf Häuser mit hübschen, zarten Zeichnungen im Maßstab 1: 250 und viel Weißraum vorgestellt. Es gibt keine Lesehilfe, man muss schon sehr genau hinsehen, um aus den versammelten isolierten Ansichten, Schnitten und Grundrissen eine räumliche Vorstellung zu rekonstruieren. Oder man betrachtet sie lediglich als enigmatische Vignetten, die mit diesem schönen Beruf zu tun haben.
Indiana Avenue House, photo: Johan Dehlin
Fotografischer Rundgang
Den Hauptteil des Buches nimmt eine Fotostrecke ein. Damit beginnt dann ein unterhaltsames Ratespiel, wenn man Zeichnungen und Aufnahmen durch ständiges Hin- und Herblättern erkenntnissuchend zusammenbringen möchte. Vielleicht passt das zu Gehry: Es ist einfach ein Haufen Architektur, der sehr ästhetisch zwischen den Buchdeckeln zusammengetragen wurde. Manchmal ist eine Person ins Bild gelaufen, und eigens aufgeräumt hat man auch nicht für den Fotografen. Dafür übernehmen beispielsweise verknotete Verlängerungskabel unfreiwillig die Funktion von Ornamenten. Auch das kann man als Fortsetzung von Gehrys cheapskate esthetics sehen. Die Abbildungen wirken fast wie private Besucherfotos, oder als hätten die Räume, während sich ihnen das Kameraobjektiv näherte, vereinbart, wie sie sich zeigen wollten: sachlich, als große Stillleben, bei denen nur die Sonne Kaliforniens mitwirken darf. Immerhin: Die Häuser befinden sich inzwischen in einem gepflegten Zustand (wir kennen sie noch mit ihren frühen Alterserscheinungen Ende der achtziger Jahre), sie werden als unersetzliche Denkmäler am Leben erhalten, nur das Holz ist mit den Jahren ein wenig schwärzer geworden.
Indiana Avenue House, photo: Johan Dehlin
Frankie Toronto
Der Text von Hilary Sample folgt eigenen Regeln. Die Autorin zählt die Werke des Architekten hintereinander auf, haspelt dazwischen Angaben zu Materialien, Konstruktionen und Farben. Als konkrete Poesie mag man das gelten lassen, vielleicht hilft es, wenn ein geübter Sprecher das Kapitel rhythmisch vorträgt. Es könnte dann ein unterstützender Hinweis auf Gehrys Arbeitsweise sein. Darauf geht Tom Emerson anschließend ein. Er sieht diesen Architekten nicht als exaltierten Künstler, sondern als Praktiker, der die Aufregung von Los Angeles in seinen Entwürfen paraphrasiert, das Alltägliche intuitiv domestiziert. Die Handkreissäge für seine populären Holzrahmen- und Sperrholzbauten dient dabei als schöpferisches Instrument. Gerade klimagerechte Architektur könnte beim erhaltenden Um- und Weiterbauen mit der unkonventionellen Ästhetik von „Frankie Toronto“ (Gehry stammt aus Kanada) zurechtkommen – als hätte der Architekt vorauseilend eine Blaupause für Niedrigenergiehäuser geschaffen.
Norton House, photo: Johan Dehlin
Über die Kontinente
Die Texte folgen der amerikanischen Etymologie, manche Idiome und Akronyme kennt unser Schulenglisch nicht. Wenn also zu den unverwechselbaren Markenzeichen von Gehrys Architektur auch BS gehört, ist damit nicht British Standards gemeint, sondern „bullshit“. Hätte man nicht erwartet, dass man dem Pritzker-Preisträger (1989), den die New York Times als „the most acclaimed American architect since Frank Lloyd Wright“ bezeichnete, nachsagen darf, er baut etwas – und es sieht wie „Mist“ aus.
In einem Gespräch hat sich Gehry (*1929) einmal darüber amüsiert, dass „die deutsche Psyche mehr Regeln benötigt als andere“. Insofern ist diese späte Veröffentlichung nicht unnötig, sie fordert auf, uns anhand von fünf Gebäuden mit Architektur auseinanderzusetzen.
Johan Dehlin, Five Buildings by Frank Gehry, English, 188 pages, Verlag Walther König, Köln 2025, ISBN 978-3-7533-0589-9
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