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 Herzog & de Meuron, Elbphilharmonie, Oliver Heissner, 2010

 

Stanislaus von Moos und Arthur Rüegg erkunden die Architektur von Herzog & de Meuron. „Fünfundzwanzig x Herzog & de Meuron“ im Steidl Verlag erklärt einzelne Gebäude – ausgewählte Case Studies für die Konzepte und die Entwurfshaltung der Architekten. Endlich mal ein Buch, dass der Architektur von Herzog & de Meuron auf den Grund geht.

Text: Sandra Hofmeister

 

Das Theater von Epidauros, die Wiesenhügel in Rickenbach bei Basel, das gotische Gewölbe der Kathedrale von Reims: Die Städte- und Landschaftsfotos von Pierre de Meuron zeigen die unterschiedlichsten Motive. Seine Aufnahmen sind Beobachtungen an den verschiedensten Orten der Welt, die sich zu einer Sammlung an persönlichen Erkundungen verdichten. Zu sehen sind Plätze und Straßenzüge, Landschaften und Stimmungen – ihre Wahrnehmung macht Relationen und Referenzen deutlich und spiegelt sie gleichzeitig auf das wahrnehmende Subjekt zurück. Systematisch  nach wiederkehrenden Phänomenen sortiert, sind die Fotos in kleinen und größeren Formaten auf schwarze Seiten gedruckt. Die persönliche Fotoreihe von Pierre de Meuron als Entrée von „Fünfundzwanzig x Herzog de Meuron“ hat ihr Pendant am in der Postkartensammlung von Jacques Herzog am Buchende – sie ist in derselben Art präsentiert. Herzogs Archiv der Bildbotschaften zeigt Ansichten von Ronchamp und aus Venedig, Teothiuacán in Mexiko oder Madaba in Jordanien. Doch nicht nur Orte sind zu sehen, sondern auch Motive der Kunst, von da Vinci bis Velazquéz – Mysterium und Tradition. Als „Bildtrophäen“ (Arthur Rüegg), beflügeln die Ansichtskarten die Fantasie und reflektieren ein Verständnis der Welt, insofern sind sie Episteme, die sich in einen Bezug zur Architektur von Herzog & de Meuron setzen lassen. Beide Konvolute aus dem visuellen Archiv von Jacques Herzog und Pierre de Meuron – die Fotos und die Ansichtskarten – sind erstmals veröffentlicht und Ausschnitte einer größeren, bisher unerschlossenen visuellen Archivsammlung. Stanislaus von Moos und Arthur Rüegg haben eine Auswahl für ihr Buch zusammengestellt und gehen in ihren Essays auf ihre Relation zur Architektur von Herzog & de Meuron ein.

 

 

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Elbphilharmonie, Fotografin: © Cordelia Ewerth, 2016 

 

Archivieren und Publizieren

2001 wurden die Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet. Ihr Büro hat heute etwa 600 Bauten in über 40 Ländern realisiert, es zählt rund 500 Mitarbeitende aus 40 Ländern, die in der Schweiz oder Frankreich, Deutschland, den USA oder Honkong beschäftigt sind. Das umfassende und vielschichtige Werk der Architekten ist in zahllosen Büchern publiziert. Die eigene Büromonografie, herausgegeben von Gerhard Mack bei Prestel, zählt bislang sechs Bände. Das Publizieren und mehr noch das Archivieren und Ausstellen sind fest in der DNA von Herzog & de Meuron verankert. Davon zeugt auch die Gebäudetypologie des Schaulagers, die Herzog & de Meuron erstmals für die Laurenz-Stiftung bei Basel realisierten und später beim Schaudepot für das Vitra Design Museum in Weil am Rhein aufgegriffen haben. Um das eigene Werk zu archivieren, gründeten sie vor zehn Jahren wurde das Jacque Herzog & Pierre de Meuron Kabinett. Die Stiftung für Kunst, Architektur und Foto dokumentiert Inspiration und Prozesse der Architekten – eine Art kulturelles Archiv also mit Sitz in Basel.

 

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111 Lincoln Road, photograph: Rasmus Hjorthoj, 2016

 

Fallstudien statt Vollständigkeit

Was kann eine neue Monografie angesichts der Fülle an Publikationen zu Herzog & de Meuron noch beitragen? Doch einiges – lässt sich mit der Lektüre von „Fünfundzwanzig x Herzog & de Meuron“ feststellen. Stanislaus von Moos und Arthur Rüegg haben insgesamt 25 Gebäude aus dem Portfolio der Architekten für ihr Buch ausgewählt – Anspruch auf Vollständigkeit erheben sie erst gar nicht. Mit dabei sind frühe Projekte wie das Fotostudio Frei in Weil am Rhein (1981-1982) und Großbauten wie das Olympische Stadion in Beijing (2002-2008), außerdem natürlich die Elbphilharmonie in Hamburg und der Serpentine Gallery Pavilion in London (2022-2012.) Die 25 Projekte sind typologisch vielfältig, vom Einfamilienhaus bis zu Museen wie der Erweiterung der Tate Modern in London, das Lagerhaus von Ricola in Laufen in der Schweiz ist ebenso dokumentiert und die Gondelbahnstation zum Chäserrugg im Kanton Sankt Gallen – ein Überraschungsprojekt! Kurze Texte beschreiben die Gebäude und ihr Entwurfskonzept, die Projektfotos sind durch weitere Abbildungen ergänzt, etwa von Referenzgebäuden oder aus dem Bauprozess. Zudem sind Modelle, Diagramme und Pläne hinzugefügt, wenn auch nicht mit Maßstab. Alles in allem entsteht auf diese Weise ein sorgfältig gesteuerter Gesamteindruck, der Sanierungen und städtebauliche Studien oder Ausstellungskonzepte mitberücksichtigt. Einige Aspekte wie die Details der technischen Raffinessen und die Klimabilanz der vorgestellten Gebäude sind nicht im Fokus der Autoren. Das mag old school sein, ist aber vielleicht einfach Stoff für ein anderes Buch zu Herzog & de Meuron.

 

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Wohnhaus entlang einer Brandmauer, photo: © Pierre de Meuron, 1988 

 

Die Macht der Bilder

Die Kunst hat das Wirken von Jacques Herzog und Pierre de Meuron von Beginn an begleitet, besonders in den frühen Jahren nach der Bürogründung 1978. Stanislaus von Moos untersucht in seinem Essay „Präzision und Unschärfe“ die Zusammenhänge zwischen Kunst und Architektur, er geht dabei auf die besonderen Kooperationen von Herzog & de Meuron mit Fotografinnen und Künstlern wie Thomas Ruff, Hannah Villiger und Remy Zaugg und vielen anderen ein. Die Verbindung zwischen beiden Disziplinen macht von Moos in der Wahrnehmung aus – flüchtig und verschwommen wie in den Pixelbilder von Thomas Ruff, ambivalent wie in den Werken von Josef Albers oder Jasper Johns. Als Herzog & de Meuron 1991 erstmals auf der Architekturbiennale in Venedig vertreten waren, überließen sie das Feld im Schweizer Pavillon vier Fotografen, darunter auch Balthasar Burkhard und Margherita Krischanitz (später Spiluttini). Die bildhafte Wahrnehmung von Fotografie übertrugen sie in vielen Fällen auf das Verständnis ihrer Bauten. Der Essay untersucht diese These von der Camera Obscura bis zu einzelnen Bauten, um der Handschrift von Herzog & de Meuron auf den Grund zu gehen. Verflüchtigung und Unschärfe auf der einen Seite stehen dabei konträr zum organisierten Alltag im Architekturbüro. Diese Ambivalenz ist mit eines der Kennzeichen von Herzog & de Meuron. Der zweite wertvolle Essay von Artur Rüegg geht auf das Verhältnis der Architekten zum Bestand ein. „Spurenlesen“ nimmt Bezug auf verschiedenen Bauten und Planungsprozesse, unter anderem auf das Roche-Areal oder die Erweiterung des Stadtcasinos in Basel. Die Form als Konsequenz des Konzepts, und die skulpturale Komponente als Ergebnis. Dann vermischt sich dieser Ansatz mit Ideen des Archtetypus oder des Unscheinbaren und Verborgenen, das jenseits von Regeln und Grenzen liegt. Auch hier spielt die Nähe zur Kunst eine herausragende Rolle – von Joseph Beuys bis zur Minimal Art von Donald Judd. „Das Unprätenziöse, die Direktheit, das scheinbar Banale und Selbsterklärende, das Jacques Herzog und Pierre de Meuron damals in der Kunst fanden, scheint ihren Umgang mit dem Bestand heute zu prägen“, so das Resümee von Arthur Rüegg.

 

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Parrish Art Museum , photo: Iwan Baan, 2012

 

Architektur verstehen

Stanislaus von Moos und Arthur Rüegg zeichnen einen Weg, die Architektur von Herzog & de Meuron aus ihrem Kontext heraus zu verstehen, das macht diese Monografie wertvoller als viele andere Publikationen. Das Buch mit 496 Seiten ist im Steidl Verlag publiziert und in Leinen gebunden, auf dem Umschlag ist ein Ausschnitt der Arbeit „Tate Modern Editions #15“ von Wolfgang Tillmann zu sehen. Die Papierqualität ist genau ausbalanciert, mal offen für die Textseiten und dann wieder gestrichen für eine bessere Qualität der Abbildungen. Bei „Fünfundzwanzig x Herzog & De Meuron“ waren Profis am Werk. Die Autoren, beide emeritierte Professoren, kennen das Werk von Herzog und de Meuron von Beginn an. Gerhard Steidl und sein renommiertes Verlagshaus stejem für die Qualität von Büchern, insbesondere für Kunst und Belletristik. Martina Brassel gab der Monografie durch ihre Grafik in einem ruhigen, unaufgeregten Duktus. Auch das zählt mit zu den Besonderheiten an in diesem Buch, das aus all den Publikationen zu Herzog & de Meuron heraussticht.

Stanislaus von Moos, Arthur Rüegg, „Fünfundzwanzig x Herzog de Meuron“, 496 Seiten, 870 Abbildungen, Leineneinband, 26.5 x 24.5 cm, Steidel Verlag, Göttingen 2024, ISBN 978-3-96999-127-5

 

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