Partituren für offene Räume
"Wir leben und arbeiten zusammen, wir denken schon lange in gemeinsamen Sätzen – und doch unterscheiden wir uns im Denken und Tun“, heißt es gleich zu Beginn dieser erstaunlichen Monografie der von Auböck + Kárász Landscape Architects aus Wien. Der Band ist als bescheidene Klappenbroschur aufgelegt – ohne große Gesten und lautes Getöse, dafür in vornehm sachlicher Schweizer Bindung mit offenem Rücken. Die systematische inhaltliche Gliederung lässt erahnen, wie Maria Auböck und János Kárász die Poesie der Gärten verstehen, worauf es ihnen ankommt. Sie lädt Leserinnen und Leser ein auf die abwechslungsreiche Reise, die Landschaftsräume und die Haltung ihres Erfinderduos zu erkunden
Insgesamt sind etwa 50 realisierte Projekte sind dokumentiert – wie facettenreich das Genre der Landschaftsarchitektur ist, zeigen die Projekte selbst – vom großen Central Park in Baku bis zu einem begrünten Geländer im geförderten Wohnbau Generationen-Wohnen am Mühlgrund in Wien. Die Reise führt zu großen und kleinen Gärten, zu urbanen Plätzen und idyllische Lauben im Weinberg, dann wieder zu Flusspromenaden und die Rekonstruktion von historischen Gärten wie dem des Schloss Belvedere, der im 17. Jahrhundert entstand und persischen Teppichmotiven nachempfunden ist. Alle Projekte sind mit Fotos, knappen Texten und teils mit Plänen dokumentiert. In den Kapitelanfängen werden Entwurfskonzepte erläutert, die viel über das außerordentliche Selbstverständnis und die Arbeitsweise des Landschaftsarchitekturbüros aussagen. „Wir entwerfen Prozesse mit ungewissem Ausgang“, heißt es da beispielswiese zu Beginn des Kapitels „Die Zeit: Eine Baumeisterin“. „Ist ein Projekt fertiggestellt, hoffen wir, dass es sich verändert.“ Viel Mut und viel Erfahrung sprechen aus dieser poetischen Werkschau. Seit 1987 arbeiten Maria Auböck und János Kárész im gemeinsamen Atelier in Wien, ihre Aufträge sind über die Welt verstreut, ihre Lehrtätigkeiten ebenfalls.
Erinnerungsort Turnertempel, Wien 2011 © Auböck + Kárász Landscape architects
Was diese Monografie einzigartig macht, ist nicht nur die Fülle der unterschiedlichen Projekte, die mit Stichworten wie „Gemischter Satz“ oder „Grüne Lunge“ überschrieben sind, sondern auch die Achtsamkeit und Sorgfalt der Entwurfskonzepte. „Unser Bestreben geht dahin, weniger in Funktionen und Nutzungen zu denken, sondern gleichsam Partituren zu entwerfen, die unterschiedlich bespielt werden können, in verschiedenen Konstellationen und Tempi.“ Der Landschaftsraum als Partitur – als eine Raumerfindung, die mit altem Wissen angereichert ist und offen ist für neue Interpretationen und Konstellationen. All dies zeigt diese Monographie, deshalb ist sie einzigartig für das Verständnis der Disziplin.
Text: Sandra Hofmeister
Auböck + Kárász- Landscape Architects, Partituren für offene Räume, hg. v. Eva Gutmann, Gabriele Kaiser, Claudia Mazanek, Broschur, 192 Seiten, 252 farbige und 20 s/w-Abbildungen, 16x24 cm, Park Books, Zürich 2024, ISBN 978-3-03860-390-0