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SO-IL, 450 Warren, New York, photo: Iwan Baan

Mit „In Depth: Urban Domesticities Today”, erschienen bei Lars Müller Publishers, positioniert sich das New Yorker Büro SO-IL mit kritischen Fragen und einigen Antworten zum Wohnungsbau.

Text: Sandra Hofmeister

 

Monografie als Haltung

Monografien von Architekturbüros sind eine eigene Buchgattung für sich. Ja nachdem wie sie gestaltet und ausgestattet sind, lassen sie die Haltung der Architekt:innen erkennen und zeigen, mit welchem Selbstverständnis sie sich in der aktuellen Architekturlandschaft positionieren. Dicker Bildband oder bescheidenes Taschenbuch? Serifenschrift oder serifenlose Darstellung der Texte? Werden Autor:innen einbezogen, gibt es Essays? Wie sind die Projekte des Architekturbüros dargestellt? Je nachdem wie diese Details ausfallen, wie Content und Grafik, Fotos und Pläne ineinandergreifen, lässt sich im Rückschluss viel über die Architekt:innen selbst erfahren. Was das bedeutet? Dicke Monografien im XXL-Format zeugen von protzigem Selbstbewusstsein und sind nicht selten auf die Akquise von sehr potenten Bauherren aus. Softcover in kleineren Formaten hingegen wollen entdeckt werden. Genau so ein Buch zum Entdecken ist die Monografie des New Yorker Büros SO-IL, in dem die Bürogründer:innen Florian Idenburg und Jing Liu die Haltung ihres Architekturstudios zum Wohnungsbau offenbaren.

 

450 Warren, New York, photo: Iwan Baan

Selbstverständnis und Haltung

Die Klappenbroschur in handlichem Format trägt den Titel „In Depth: Urban Domesticities“ und vereint verschiedene große und kleine urbane Wohn-Interventionen aus dem Portfolio von SO-IL. Der Holländer Florian Idenburg und die gebürtige Chinesin Jin Liu haben sich in Japan kennengelernt und ihr gemeinsames Büro 2008 in New York Brooklyn gründeten, heute sind sie unter anderem für Kulturbauten wie das Manetti Shrem Museum of Art in Davis (USA) oder die Site Verrier, ein Glaskulturzentrum, in Meisenthal in den Vogesen Frankreichs bekannt. Mit ihrer handlichen neuen Monografie positionieren sie sich als ein aufgeschlossenes Architekturbüro, das aktuelle Fragen des Wohnens anpackt, und das in verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Maßstäben.

 

450 Warren, New York, photo: Iwan Baan

Ohne Schnörkel

In serifenloser Schrift sind die Texte des Buchs ruhig und schnörkellos gesetzt. Durch die reduzierten Schriftgrößen und -schnitte entsteht ein gut lesbarer, angenehm unaufgeregter Textfluss. Die Grafik des Buchs ist von Geoff Han, der zwischen reinen Textseiten und Bildseiten klar unterscheidet – beide auf unterschiedlichem Papier gedruckt. Mit knappen Beschreibungen, Lageplänen und isometrien sowie Grundrissen udn Schnitten mit Maßstab sowie schwarz-weiß-Modellfotos sind insgesamt 12 Projekte unterschiedlichen Maßstabs dokumentiert. Darunter kleine Interventionen wie die modulare Stahlplattform „Breathe“, die vor einigen Jahren für Mini-Living zum Salone del Mobile in Mailand zu sehen war oder der 144 Vanderbuilt-Wohnblock in New York Brooklyn.

 

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Theoretischer Hintergrund und Fotos

Großzügige Fotoessays mit randabfallenden Abbildungen von Iwan Baan und Naho Kubota zeigen die drei Geschosswohnungsbauten Bergen Residence und 144 Vanderbilt in New York sowie Las Américas in León, Mexiko in beeindruckenden Aufnahmen, die den Alltag mit und in der Architektur dokumentieren und die einzelnen Wohnkomplexe samt ihrem Innenleben lebendig machen. Auf Bilderdruckpapier gedruckt, sind diese Fotostrecken mit ein klares highlight des kompakten, 360 Seiten fassenden Buchs. Ein weiteres ist die Einführung von Jin Liu, ein persönlichen Statement zu all dem, was zu Hause bedeutet und wie sich SO-IL an die Frage des Wohnungsbaus herantastet. Die Architektin schlägt einen großen Bogen in der Geschichte bis zu den Wohnprojekten ihres Büros. Den Begriff und die Formen der Gemeinschaft interpretiert sie engagiert und mit vielen Referenzen zur Theorie – von Hannes Meyer bis zu Hannah Arend und dem „Pillow Book“ der Hofdame Sei Shonagon, das aus der späten Heian Periode stammt, dem goldenen Zeitalter der japanischen Kultur um 1100, um schließlich bei den Herausforderungen von heute zu landen. Um neue Wege für das individuelle Zuhause und für das gemeinschaftliche Zusammenleben zu erkunden, braucht es Mut, die Grenzen auszukundschaften: „..we need to rediscover and learn to live in liminal spaces – in-depth“.

 

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Zum Schluss

Im Nachwort übt sich Florian Idenburg in Kritik gegenüber der Bau- und Immobilienwirtschaft , um die Rolle des Architekten schließlich vor diesem Hintergrund zu definieren und auf die Archi-Form des Wohnens zu kommen. „Let us rethink our approach to architecture and recognize the profound layers and connections that make a space truly a home“, so sein Schlusswort. „Well done!“ Möchte man nach der Lektüre des Buchs rufen. Die Monografie ist eine mutige Positionierung zum Wohnungsbau – und sie geht damit auf eine der drängendsten Fragen in der Architektur der nächsten Jahre überhaupt ein. Sie schließt – ganz unkonventionell – mit Baustellenfotos zu einzelnen Projekten.

Florian Idenburg, Jing Liu (edd.), “SO-IL. In Depth: Urban Domesticities Today”, with photographs by Iwan Baan and Nao Kubota, Texts by Ted Baab, Florian Idenburg, Karilyn Johansesen, Nicolas Kemper, Jin Liu, Design: Geoff Han, 17x23,5 cm, 360 Seiten, 371 Abbildungen, Softcover, Lars Müller Publishers, Zürich 2024, ISBN 978-3-03778-757-1

 

SO IL Cover

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Dr. Sandra Hofmeister
Herausgeberin

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80539 München
Deutschland

Castello 609
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Castello 609
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