Der besondere Zauber der Gärten in Venedig darin, dass die meisten privat und für die Öffentlichkeit unsichtbar sind. Insofern macht dieses Buch von Marsilio Arte verborgene Schätze sichtbar. Mit großartigen Fotos von Marco Valmarana dokumentiert der kürzlich erschienene Band über 50 Gärten der Lagunenstadt.
Text: Sandra Hofmeister
Palazzo Malipiero Barnabò, San Marco, photo: Marco Valmarana, photo: Marco Valmarana
Selten habe ich beim Blättern und Lesen eines Buchs so viel Freude gehabt wie mit diesem Band von Marsilio Arte. Und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Auch nach der dritten oder vierten Lektüre ist der Genuss noch lange nicht vorbei. Dabei „The Gardens of Venice“ ein Coffee Table Book – und allen Vorurteilen gegen diese Gattung zum Trotz ist es ein wirklich gelungenes großformatiges Buch mit wunderbaren Fotos. Eigenlicht macht dieses schöne Buch deutlich, dass Coffee Table Books eigentlich sehr gut sein können. Der großformatige Band hat knappe Texte zu allen Gärten, außerdem auch Essays von Toto Bergamo Rossi und Marco Bay. Hauptsächlich aber zeigt er Aufnahmen der vielen und ganz unterschiedlichen Gärten und Grüninseln, Höfe und Pergolas in Venedig. Sortiert sind sie in Kapiteln nach Sestieri und den Inseln in der Lagune von Torcello bis San Clemente.
Casa Miani, Castello, Terrace with a view to San Pietro, photo: Marco Valmarana
Verborgene Orte
Die meisten Gärten sind privat und unzugänglich für die Öffentlichkeit. Es sind versteckte und geheime Orte, abseits des Tourismus und der Menschenmassen in Venedig. Einige Gärten sind halb privat und im Rahmen von Ausstellungen geöffnet wie das Labyrinth und der Kreuzgang von San Giorgio Maggiore. Hier hat die Fondazione Cini ihren Sitz. Andere sind zu besonderen Gelegenheiten geöffnet wie der Giardino Frederic Eden der Hundertwasser Stiftung auf der Giudecca. Auch mehrere Luxushotels wie das Cipriani oder das Kempinski Palace auf der Isola di San Clemente haben Gärten – allerdings auch sie gut abgeschottet. Der Großteil der Gärten in diesem Buch ist rein privat – kleine grüne Oasen, die gehegt und gepflegt werden und nur für ihre Besitzer:innen sind.
Giardino di San Giovanni Evangelista, Isola di Torcello, Tamerind forest, photo: Marco Valmarana
Exotische Pflanzen
Dass Venedig eine eigene und besondere Gartentradition hat, liegt an der Geschichte der Lagunenstadt. Denn schon im Mittelalter waren die Kaufläute der Seerepublik unterwegs im Mittleren Orient. 1204 waren die Venezianer mit beim Vierten Kreuzzug dabei, der Konstantinopel eroberte und plünderte. Im 13. Jahrhundert wurde der Venezianer Marco Polo Berater des mongolischen Herrschers Kublai Kahn und bereiste China. Von dort und aus Indien, Ägypten, Spanien und vielen weiteren Ländern und Klimazonen kamen über die Handelswege der Serenissima Pflanzen nach Venedig, und von dort verbreiteten sie sich im mediterranen Raum bis nördlich der Alpen. Auch Zedern und Oliven- oder Orangenbäume waren nicht heimisch, sondern wurden zur Marco-Polo-Zeit aus Ägypten eingeführt. Mit jeder Reise und mit jeder Eroberung der Serenissima wurden Venedigs Gärten exotischer und reicher. Die Stadt war lange eines der wichtigsten Handelszentren überhaupt und ihre Kaufleute auf vielen Kontinenten unterwegs.
Fondazione Querini Stampalia, Castello, Carlo Scarpa, photo: Marco Valmarana
Botanik und Geschichte
Ab 1405 gehörte Padova auf dem Festland zu Venedig – dort legte Daniele Barbaro 1545 den ersten botanischen Garten an der Università di Padova an – eine der ältesten überhaupt in Europa. Schon in der Renaissance zählte es im engen und dichten Stadtgebiet Venedigs als besonderer Luxus, einen eigenen Garten mit besonderen Pflanzen zu haben. Einige der größten und schönsten Gärten der Stadt sine heute noch den Palästen am Canal Grande zugeordnet. Toto Bergamo Rossi, der die Geschichte der Gärten in Venedig in seinem Essay in diesem Buch zusammenfasst, geht auch in seinem historischen Abriss auch auf die wunderbaren Gärten von Carlo Scarpa in Venedig ein: Inspiriert an der japanischen Gartenkultur schuf der Venezianische Architekt Gärten mit Wasserspielen und Grünfeldern wie den Skulpturengarten des Padiglione Italia der Giardini della Biennale und den Garten der Fondazione Querini Stampaglia – eine Oase inmitten der hohen Mauern der Nachbarhäuser.
Palazzo Bragadin Dabalà – Casa Bassetti De Michelis, Dorsoduro, photo: Marco Valmarana
Schattiges Grün
Da der Sommer in Venedig schon immer recht heißt ist, verstehen sich viele Gärten als erholsame grüne Oasen mit Palmen, Eukalyptus und Magnolien. Blühende Agapanthen und Oleander oder Glyzinen wie in der Pergola der Giardini Reali verzaubern die Grüninseln zu schattigen Ruheorten. In Alma Mahlers Garten Garten bei San Stin nahe der Frari-Kirche wachsen Maulbeerbäume und Glanzmispeln, Schusterpalmen und Bambus. 1922 nach einem längeren Aufenthalt erwarb sie eine den kleinen Palazzo, die heute ein Hotel beherbergt.
San Giorgio Maggiore, photo: Marco Valmarana
Gartenkultur auf der Giudecca
Manche Gärten, die in diesem Buch dargestellt sind, sind kaum mehr als ein paar Pflanzenkübel oder eine bewachsene Mauer. Doch in Venedig gehören gerade die kleinen Maßstäbe zur Kultur, denn Platz gab es hier noch nie in Fülle. Die einzige Ausnahme ist wohl die Giudecca: Sie ist mit Abstand Venedigs grünster Innenstadtbereich – zur Lagune orientiert befinden sich unter anderem die Giardini Corner oder der Fabrica Fortuny und die Villa Hériot. Sie alle sind kaum zugänglich, aber mit diesem Buch können wir trotzdem einen Blick in die Gärten werfen und ahnen, was es noch zu entdecken gäbe.
Toto Bergamo Rossi, Marco Bay, The Gardens of Venice, photographs by Marco Valmarana, 296 pages, Marsilio Arte, Venice 2024, ISBN 9791254631973