Reiseführer sind old school. Wer trägt schon diese Bücher permanent mit sich herum, um dann im richtigen Moment die richtige Seite zu finden und vor Ort zu lesen? Doch auch die digitalen Medien sind nicht unproblematisch: Wer möchte schon, wenn er auf einem der schönsten Plätze Venedigs steht, erstmal auf dem Handybildschirm starren, um mehr zu erfahren?
Der Architekturführer Venedig von DOM publishers versucht das Dilemma zumindest teilweise zu umgehen. In QR-Code sind zu den einzelnen Gebäuden des 288 Seiten dicken Buchs die Adressen auf google maps hinterlegt. Ein Anfang, der die Orientierung erleichtert. Clemens Kusch und Anabel Gelhaar, das Autorenduo des Führers, teilt das Stadtgebiet Venedigs in einzelne Zonen ein – Mestre und der Lido gehören auch dazu. In knappen und informativen Texten dokumentieren sie die einzelnen Gebäude samt Fotos. Der Reiseführer nimmt die Projekte Carlo Scarpas ebenso auf wie die Sporthalle von Giancarlo De Carlo in Mazzorbo oder die Hochwasserschutzbauten des Moses an der Laguneneinfahrt – zum Redaktionsschluss des Buchs waren sie noch im Bau, seit einigen Jahren jedoch sind sie bereits im Einsatz. Wer Venedigs moderne Architektur erkunden möchte, der braucht dieses Handbuch, weil es die Grundlagen klärt und so manche Entdeckungen ermöglicht: Gino Zucchi, Pier Luigi Nervi, Mario Botta, Boris Podrecca: Es gibt in Venedig sehr viele architektonische Interventionen aus der Nachkriegsära, und dieses Buch hilft sie zu entdecken. Allerdings wäre ein Update recht hilfreich, denn auch in Venedig dreht sich das Karusell der Architektur recht schnell. Insolvenzen wie die des Hotel Bauer oder des Kaufhauses im Fondaco dei Tedeschi gehören zu den jüngsten Entwicklungen, die dann in der nächsten Auflage berücksichtigt werden.
Clemens F. Kusch, Anabel Gelhaar, Architekturführer Venedig. Bauten und Projekte nach 1950, Klappenbroschur, 288 Seiten, DOM publishers, 3. Auflage, Berlin 2018